In einer wettbewerbsrechtlichen Sache hat das Landgericht (LG) Essen in einem Urteil vom 11.03.2020 (44 O 40/19) entschieden, dass eine englische Gebrauchsanleitung nicht den Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) im Allgemeinen und den Vorgaben aus § 3 Abs. 4 ProdSG im Besonderen entspricht. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aufgrund wettbewerbswidrigen Verhaltens waren damit im Ergebnis begründet.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem „CO Alarm Gas Melder Kohlenmonoxid Gaswarner Warnmelder“, den der Kläger (ein großer Händler und Wettbewerber) am 05.03.2019 auf einer Verkaufsplattform beim Beklagten (ein kleiner Händler) im Rahmen eines vom Kläger veranlassten Testkaufs gekauft hat und der sodann am 07.03.2019 geliefert worden ist, war unstreitig keine deutschsprachige Gebrauchsanleitung beigefügt.
Die gesamte Produktverpackung war ausschließlich in englischer Sprache gehalten. Auch auf dem Gerät selbst befanden sich keine sicherheitsrelevanten Informationen in deutscher Sprache.
Vor diesem Hintergrund ging der Kläger davon aus, dass ihm wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 4 ProdSG ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zustehe. Der Beklagte war hingegen der Ansicht, es läge kein Verstoß gegen das Produktsicherheitsgesetz vor, weil er – was zwischen den Parteien streitig war – mit E-Mail vom 05.03.2019 einen Link zu einer deutschen Anleitung bereitgestellt habe.
Diese Anleitung habe sich – abgesehen von der eingesetzten Batterie – auf ein praktisch identisches Gerät bezogen.
Das LG Essen hat diesbezüglich klargestellt, dass die vom Beklagten in Papierform mitgelieferte englische Anleitung nicht mit § 3 Abs. 4 ProdSG im Einklang steht.
§ 3 Abs. 4 ProdSG Sind bei der Verwendung, Ergänzung oder Instandhaltung eines Produkts bestimmte Regeln zu beachten, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten, ist bei der Bereitstellung auf dem Markt hierfür eine Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache mitzuliefern, sofern in den Rechtsverordnungen nach § 8 keine anderen Regelungen vorgesehen sind.
Der vom Beklagten übersandte Link zu einer Bedienungsanleitung in deutscher Sprache wiederum ist schon deshalb nicht ausreichend, weil diese Anleitung nicht das identische Produkt betraf.
Sie betraf zwar das Gerät eines identischen Herstellers, es handelte sich aber im Vergleich zum gekauften Gerät um ein anderes Gerät anderen Typs.
Ob vorliegend weitere CE-Rechtsakte anwendbar waren, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Naheliegend ist die parallele Anwendung des Elektromagnetische-Verträglichkeit-Gesetzes (EMVG).
Auch diesbezüglich müsste ausdrücklich eine deutsche Montage- und Gebrauchsanleitung für nichtgewerbliche Nutzer (sog. B2C-Produkt) beigefügt sein, § 19 Abs. 1 S. 2 EMVG. Für die – vorliegend sicher nicht einschlägigen – Anleitungen im Bereich des Niederspannungs- (§ 8 Abs. 3 der 1. ProdSV) und Maschinenrechts (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 der 9. ProdSV in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2006/42/EG) gilt im Übrigen nichts anderes: Unabhängig von der Klassifizierung des Produkts als B2B- oder B2C-Produkt muss jeweils eine deutsche Betriebsanleitung beigefügt sein.
Wer Produkte im Anwendungsbereich des ProdSG in Verkehr bringt, tut weiterhin gut daran, eine verkörperte (insbesondere schriftliche) Gebrauchsanleitung in deutscher Sprache beizufügen (der betreffende Link zur deutschen Anleitung hätte also produktsicherheitsrechtlich ebenfalls nicht genügt); denn dies sind die eindeutigen Vorgaben aus § 3 Abs. 4 ProdSG, wenn sicherheitsrelevante Instruktionen zur Verfügung zu stellen sind.
Andernfalls fehlt dem Produkt nicht nur die Verkehrsfähigkeit (mit der Folge, dass Marktüberwachungsmaßnahmen gemäß § 26 Abs. 2 ProdSG drohen), sondern es kann für den betreffenden Wirtschaftsakteur auch wettbewerbsrechtlich erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Die Vorgabe der deutschen Sprache gilt sodann in der Bundesrepublik Deutschland auch im sonstigen (europäisch-harmonisierten) Produktsicherheitsrecht, d.h. insbesondere im Niederspannungs-, Maschinen- und – beschränkt auf Verbraucherprodukte – EMV-Recht.
Verfasst am: 20.05.2020
Dr. Carsten Schucht Rechtsanwalt Dr. Carsten Schucht ist Gründungspartner der Produktkanzlei in Augsburg und spezialisiert auf die Beratung in den Bereichen des Produktsicherheits-, Produkthaftungs- und Arbeitsschutzrechts.
E-Mail: schucht@produktkanzlei.com | www.produktkanzlei.com
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