Die EG-Konformitätserklärung für Maschinen kennt nur zwei Personen:
Die erste genannte Person („Konformitätserklärungsaussteller*in“) ist auch für die Unterzeichnung der Konformitätserklärung zuständig. Welche Pflichten und Verantwortungen sich aus dieser Ausstellung und Unterzeichnung ergeben, haben wir unter anderem in diesem Beitrag behandelt.)
Die zweite genannte Person („Dokumentationsbevollmächtigte*r“ bzw. „Dokumentationszusammenstellungsbevollmächtigte*r“) hat andere Aufgaben, welche in diesem Beitrag beleuchtet werden. Insbesondere gehen wir auf die Rechtsstellung, Aufgaben und Haftungsrisiken dieser „Zusammensteller“ gemäß Anhang II Nr. 2 der EG-Maschinenrichtlinie ein.
Wer Zusammensteller sein kann und sein soll, sagt die Maschinenrichtlinie nicht. Nach der EU-Kommission muss es ein „Ansprechpartner aus den Reihen der Mitarbeiter des Herstellers“ sein1 – das ist wenig hilfreich, denn damit ist jeder Unternehmensmitarbeiter gemeint. Die Aussage ist noch nicht einmal zutreffend, denn an anderer Stelle sagt die Kommission, es könne sich um „jede natürliche oder juristische Person handeln, die in der EU ansässig ist und die vom Hersteller mit dieser Aufgabe betraut wird“2 – also auch externe Personen. Nach der Kommission kann diese bevollmächtigte Person auch identisch mit dem Unterzeichner der EG-Konformitätserklärung sein und es kann auch der „Hersteller selbst“ sein3. Es mag zwar nicht ganz den Geist der Richtlinie treffen, wenn keine individuelle Person als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Aber es geht weniger darum, dass es einen Menschen als Ansprechpartner gibt, sondern eher darum, dass ein Ansprechpartner für Hersteller aus Drittstaaten existiert. In Anhang II der Maschinenrichtlinie heißt es: „diese Person muss in der Gemeinschaft ansässig sein“. Die Kommission stellt den Sinn des Anhangs II Nr. 2 auch so klar: „Im Wesentlichen muss eine Kontaktstelle in der EU für Hersteller aus Drittländern vorhanden sein“4. Konstrukteure, Abteilungsleiterinnen oder CE-Koordinatoren können tatsächlich in Personalunion auch die Zusammenstellungsbevollmächtigten sein. Aber dann muss rechtlich für die Frage der damit verbundenen Sicherheitspflichten, der Verantwortung und der Haftungsrisiken genau zwischen den verschiedenen Funktionen der Unternehmensbeschäftigten unterschieden werden (siehe unten 5.).
Es heißt, die Person muss „bevollmächtigt“ werden, die technischen Unterlagen zusammenzustellen. Aus juristischer Sicht ist das letztlich nicht der zutreffende Begriff, denn eine Vollmacht dient der rechtsgeschäftlichen Vertretung – und ermöglicht den Abschluss eines Vertrages für das Unternehmen. Der englische Begriff „authorise“ hätte besser mit „beauftragt“ übersetzt werden sollen. Zur Bevollmächtigung bzw. Beauftragung ist nicht mehr als die Angaben in der EG-Konformitätserklärung nötig. Der Auftrag steckt in der Benennung in Konformitätserklärung (wenn es einvernehmlich und nicht heimlich geschieht). Juristen nennen das „konkludente“ bzw. „stillschweigende“ Beauftragung. Der Zusammensteller muss auch nicht in der EG-Konformitätserklärung unterschreiben – im Unterschied zum „Aussteller“ – siehe Einleitung). Natürlich ist es möglich, ausdrücklich die Aufgabe (etwa in einer Stellenbeschreibung) zu übertragen – aber es ist eben nicht nötig. Anzugeben ist neben dem Namen der Person auch ihre Anschrift. Gemeint ist die Adresse des Unternehmens, nicht die Privatadresse.
Aufgabe dieser Person ist nur die „Zusammenstellung“ und „Bereitstellung“5 der technischen Unterlagen. Die exakte Job-Beschreibung wäre daher: „CE-Dokumentationszusammenstellungs-Beauftragte*r“. Die EU-Kommission trennt in ihrem Leitfaden zur Maschinenrichtlinie folgerichtig und deutlich zwischen der Zusammenstellung und anderen Aufgaben – etwa der Erstellung der Unterlagen: „Die Person, die bevollmächtigt ist, die technischen Unterlagen zusammenzustellen, ist in dieser Funktion nicht für Konstruktion, Fertigung oder Konformitätsbewertung der Maschine, für die Erstellung der in den technischen Unterlagen enthaltenen Dokumente, für die Anbringung der CE-Kennzeichnung oder für die Ausstellung und Unterzeichnung der EG-Konformitätserklärung zuständig“. Eine andere Funktion in diesem Sinne, die übernommen werden könnte, wäre der Job eines CE-Beauftragten oder Koordinators bzw. einer CE-Managerin. Aus dieser anderen Funktion ergeben sich auch andere Pflichten und andere Verantwortungen. Details dazu finden Sie hier. In der Praxis kommt es häufig vor, dass Personen, die CE-Aufgaben übernehmen, zusätzlich die hier diskutierten Aufgaben der Zusammenstellung der Unterlagen übernehmen und daher entsprechend in der Konformitätserklärung genannt sind. Zur Klärung der Pflichten und der Verantwortung des CE-Personals ist aber klar zu trennen, aufgrund welcher Zuständigkeiten sie tätig werden. Die nachfolgend diskutierten Punkte besprechen rein die Aufgaben für das „Zusammenstellen“, nicht für etwaige weitere Aufgaben (Konstruktion, CE-Koordination, etc.), die immer sehr viel weitreichender sind als das reine „Zusammenstellen“.
Wenn die Aufgabe ist, „die technischen Unterlagen zusammenzustellen“, muss das auch erledigt werden können. Zwei Dinge sind dazu nötig:
Die Maschinenrichtlinie sagt in Anhang II nur, dass technische Unterlagen zusammengestellt werden, aber nicht für wen. Wer das ist, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Richtlinie. Diese ist (auch) Marktüberwachungsrecht: die Unterlagen kann nur die Marktüberwachungsbehörde anfordern. „Wenn bei den Marktüberwachungsbehörden Zweifel hinsichtlich der Konformität der Maschine mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen bestehen, können die Behörden die Übermittlung einiger oder aller technischer Unterlagen des Herstellers verlangen“7. Anhang II A Nr. 3 Maschinenrichtlinie sagt: „Werden die technischen Unterlagen den zuständigen einzelstaatlichen Behörden auf begründetes Verlangen nicht vorgelegt, so kann dies ein hinreichender Grund sein, um die Übereinstimmung der betreffenden Maschine mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen anzuzweifeln“. Anderen Stellen – etwa dem Geschäftspartner oder Geschädigten – können technische Unterlagen freiwillig gegeben werden: etwa auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung. Eine Pflicht zur Vorlage von technischen Unterlagen an Private kennt die EG-Maschinenrichtlinie nicht. Weiters sind Unternehmen gut beraten, die technischen Unterlagen für ihre eigenen Zwecke auffindbar zu halten. Anhand der Unterlagen sollte es möglich sein zu beweisen, dass eine Maschine zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens einen bestimmten Zustand hatte. Für die Feststellung, wer für einen Unfall – welcher z.B. durch eine Manipulation von Schutzeinrichtungen begünstigt oder herbeigeführt wurde – einzustehen hat, können die technischen Unterlagen also für Hersteller ein wichtiges Beweismittel darstellen.
Wenn Marktüberwachungsbehörden die Risikobeurteilung des Herstellers oder weitere technische Unterlagen haben wollen, werden sie den Hersteller selbst – also das Unternehmen – anschreiben8. Es ist dann „Sache der Gesellschaft durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass an ihren Geschäftssitz gerichtete Schreiben an die verantwortliche Person weitergeleitet werden“9. Die Behörden müssen sich auch an den Hersteller wenden. § 27 ProdSG regelt die „Adressaten der Marktüberwachungsmaßnahmen“ – und Absatz 1 sagt: „Die Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörde sind gegen den jeweils betroffenen Wirtschaftsakteur oder Aussteller gerichtet“. Es heißt dann zwar auch, dass „Maßnahmen gegen jede andere Person nur zulässig sind, solange ein gegenwärtiges ernstes Risiko nicht auf andere Weise abgewehrt werden kann“ – und eine solche andere Person könnten Zusammenstellungsbeauftragte sein. Aber wenn es um ein solch hohes und nahes Risiko geht, wird die Unterlagenanforderung nicht mehr ausreichen und die Behörde wird andere Maßnahmen ergreifen (müssen). Die Kommission stellt klar: „Für die Bereitstellung der technischen Unterlagen ist unverändert das Unternehmen und nicht die Person verantwortlich, die die technischen Unterlagen zusammenstellt“10. Selbst wenn es Verwaltungsakte an Zusammenstellungsbeauftragte geben sollte: die dann erforderlichen Maßnahmen muss er nicht aus eigener Tasche zahlen. Auch ansonsten ist das Haftungsrisiko sehr gering:
Zwar sind Zusammenstellungsbeauftragte arbeitsrechtlich – wie alle Unternehmensmitarbeiter – gegenüber dem Arbeitgeber verantwortlich. Aber alles was sie nicht oder zu spät oder falsch machen, wird dem Unternehmen zugerechnet und ermöglicht keine Angriffe gegen sie persönlich:
Fußnoten:1EU-Kommission, Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Auflage 2.2 – Oktober 2019, § 383 Nr. 2.2EU-Kommission, Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Auflage 2.2 – Oktober 2019, § 383 Nr. 2.3EU-Kommission, Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, Auflage 2.2 – Oktober 2019, § 383 Nr. 2.4EU-Kommission, Leitfaden (Fn. 1).5EU-Kommission, Leitfaden (Fn. 1).6EU-Kommission, Leitfaden (Fn. 1).7EU-Kommission, Leitfaden (Fn. 1), § 98.8So wie im Fall VG Düsseldorf, Urteil v. 26.02.2019 (Az. 3 K 9147/18).9So sagt es das VG Gelsenkirchen, Urteil v. 23.02.2021 (Az. 14 K 3990/20) – zulässige Adressierung des Anhörungsbogens und der Fahrtenbuchanordnung an GbR.10EU-Kommission, Leitfaden (Fn. 1).11Ausführlich hierzu Wilrich, Arbeitsschutz-Strafrecht – Haftung für fahrlässige Arbeitsunfälle: Sicherheitsverantwortung, 12Sorgfaltspflichten und Schuld – mit 33 Gerichtsurteilen (2020. Siehe dazu auch: www.ibf-solutions.com/fachbeitraege/grundlagen-zu-verantwortung-und-haftung-im-ce-prozess
Verfasst am: 31.03.2021
Prof. Dr. Thomas Wilrich Tätig rund um die Themen Produktsicherheit, Produkthaftung, Arbeitsschutz und Warenvertrieb einschließlich der entsprechenden Betriebsorganisation, Vertragsgestaltung, Schadensersatz- und Führungskräftehaftung, Versicherungsfragen und Strafverteidigung. Er ist an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule München zuständig für Wirtschafts-, Arbeits-, Technik- und Unternehmensorganisationsrecht sowie „Recht für Ingenieure“.
E-Mail: info@rechtsanwalt-wilrich.de | www.rechtsanwalt-wilrich.de
Johannes Windeler-Frick, MSc ETH Mitglied der Geschäftsleitung von IBF. Fachreferent CE-Kennzeichnung und Safexpert. Vorträge, Podcasts und Publikationen zu unterschiedlichen CE-Themen, insbesondere CE-Organisation und effizientes CE-Management. Leitung der Weiterentwicklung des Softwaresystems Safexpert. Studium der Elektrotechnik an der ETH Zürich (MSc) im Schwerpunkt Energietechnik sowie Vertiefung im Bereich von Werkzeugmaschinen.
E-Mail: johannes.windeler-frick@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
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