Entwurf zu einer neuen Maschinenverordnung veröffentlicht
Wie bereits berichtet befindet sich die EU-Maschinenrichtlinie in Überarbeitung. Am 21.4.2021 wurde ein Entwurf für eine mögliche neue Vorschrift veröffentlicht, welcher seit dem 11.06.2021 auch in deutscher Sprache verfügbar ist. Nachfolgend finden Sie einige Fakten und Informationen rund um diese Veröffentlichung.
Link, Formalien und Termine:
- Hier finden Sie einen Link zum Entwurf der neuen Maschinenverordnung.
- Bei den veröffentlichten Dokumenten handelt es sich um "Proposals", also um Vorschläge.
- Die in den Proposals vorgeschlagenen Änderungen sind weder bereits gültig, noch ist fix, dass diese Änderungen tatsächlich kommen.
- Es wird vorgeschlagen, dass in Zukunft nicht mehr eine Richtlinie (so wie die aktuelle Maschinenrichtlinie 2006/42/EG), sondern eine Verordnung die maschinenspezifische Produktsicherheit in Europa regelt.
- Der Entwurf sieht vor, dass die neue Verordnung 30 Monate nach ihrer offiziellen Veröffentlichung anzuwenden ist. (Das Datum bezieht sich auf die tatsächlich angenommene Verordnung, nicht auf den Entwurf, der sich ggf. noch an vielen Stellen ändern kann).
Vorgeschlagene inhaltliche Änderungen (Auswahl):
Anpassung an das New Legislative Framework
- Einige Richtlinien wurden bereits an den neuen Rechtsrahmen, das sogenannte New Legislative Framework, angepasst, z.B. die Niederspannungsrichtlinie oder die EMV-Richtlinie. Details dazu finden Sie in unserem Fachbeitrag zum New Legislative Framework
- Die Basis des New Legislative Frameworks bildet der Beschluss 768/2008/EU, welcher z.B. einheitliche Bezeichnungen für Wirtschaftsakteure (Hersteller, Einführer, etc.) sowie unterschiedliche Module für Konformitätsbewertungsverfahren definiert.
- Die aktuelle Maschinenrichtlinie 2006/42/EG ist zwar eine Richtline des sogenannten "New Approach", ist aber noch nicht an das New Legislative Framework angepasst. Entsprechend dem Vorschlag für eine Änderung der Maschinenrichtlinie führt dies zu Ineffizienten, etwa weil zwischen unterschiedlichen EU-Harmonisierungsvorschriften wie der Maschinenrichtlinie und der Niederspannungsrichtlinie abweichende Definitionen existieren. Aus diesem Grund sieht der Vorschlag vor, diese Abweichungen zu eliminieren.
Neue Technologien
Der Vorschlag führt aus, dass die aktuelle Maschinenrichtlinie neuen Technologien nicht entsprechend Rechnung trägt bzw. deren Implementierung hindert, z.B.:
- Kollaborierende Roboter
- "Connected Machinery"
- Software-Updates
- Selbstlernende Maschinen (Künstliche Intelligenz)
- Autonome Maschinen
Cyber-Security
- Der Liste der grundlegenden Anforderungen soll ein eigener Punkt 1.1.9 bzgl. Cyber-Security hinzugefügt werden, welche einen Einfluss auf Sicherheitsfunktionen hat. Dieser Absatz wäre komplett neu:
1.1.9.Schutz gegen Verfälschungen
Das Maschinenprodukt muss so konstruiert und gebaut sein, dass der Anschluss einer anderen Einrichtung an das Produkt über eine beliebige Funktion der angeschlossenen Einrichtung selbst oder über eine mit dem Maschinenprodukt kommunizierende entfernte Einrichtung nicht zu einer gefährlichen Situation führt. Ein Hardware-Bauteil für den Anschluss, das für die Übereinstimmung des Maschinenprodukts mit den einschlägigen Gesundheits-und Sicherheitsanforderungen von entscheidender Bedeutung ist, muss so konstruiert sein, dass es angemessen gegen unbeabsichtigte oder vorsätzliche Verfälschung geschützt ist. Das Maschinenprodukt muss Beweise für ein rechtmäßiges oder unrechtmäßiges Eingreifen in die Hardwarekomponente sammeln. Software und Daten, die für die Übereinstimmung des Maschinenprodukts mit den einschlägigen Gesundheits-und Sicherheitsanforderungen von entscheidender Bedeutung sind, sind als solche zu benennen und angemessen gegen unbeabsichtigte oder vorsätzliche Verfälschung zu schützen. Das Maschinenprodukt muss die installierte Software kenntlich machen, die für den sicheren Betrieb erforderlich ist, und diese Informationen jederzeit in leicht zugänglicher Form bereitstellen können. Das Maschinenprodukt muss Beweise für ein rechtmäßiges oder unrechtmäßiges Eingreifen in die Software oder eine Veränderung der im Maschinenprodukt oder seiner Konfiguration installierten Software sammeln.
- Der Entwurf sieht ebenfalls eine Anpassung von Punkt 1.2.1 (Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen) der grundlegenden Anforderungen vor.
- Beachten Sie zu diesem Thema auch unsere beiden Fachbeiträge zum Thema Cyber-Security aus technischer bzw. juristischer Sicht.
Klarerer Anwendungsbereich:
- Überarbeitung der Definitionen "Maschine" und "Unvollständige Maschine"
- Klarstellungen in der Abgrenzung zur Niederspannungsrichtlinie
Wesentliche Veränderung:
- Dieses für die Industrie sehr wichtige Thema wird in der aktuellen Maschinenrichtlinie nicht behandelt. Entsprechend dem Vorschlag soll die Pflicht für die Durchführung eines neuen Konformitätsbewertungsverfahrens - sofern es sich um eine wesentliche Veränderung handelt - auch explizit in den Text der Verordnung aufgenommen werden, in etwas wie in Artikel 12, Absatz 1 des Vorschlages ausgeführt:
Zur Bescheinigung der Konformität eines Maschinenprodukts mit dieser Verordnung müssen der Hersteller oder sein Bevollmächtigter und die Person, die eine wesentliche Modifikation an dem Maschinenprodukt vorgenommen hat, eines der in den Absätzen2 und 3 beschriebenen Verfahren zur Bewertung der Konformität anwenden (...).
Maschinen mit hohem Risikopotential ("Anhang IV Maschinen" entsprechend der aktuellen Richtlinie 2006/42/EG)
- Der Vorschlag führt aus, dass die aktuelle Liste aus Anhang 2006/42/EG, Anhang IV, 15 Jahre alt ist, und daher überarbeitet werden sollte, da manche der Maschinen zwischenzeitlich nicht mehr als "Hochrisiko" einzustufen sind.
- Dahingegen sollten aber auch neue Punkte der Liste hinzukommen, etwa "Maschinen, in die KI-Systeme integriert sind, die eine Sicherheitsfunktion erfüllen"
- Für diese Maschinen sieht der Entwurf verpflichtend die Beiziehung benannter Stellen vor, auch dann, wenn harmonisierte Normen vorhanden sind: "(…) nur eine Zertifizierung durch Dritte akzeptiert, selbst wenn die Hersteller die einschlägigen harmonisierten Normen anwenden."
Papierlose Dokumente - Digitale Betriebsanleitung und digitale Konformitätserklärung
- Der Entwurf sieht vor, dass Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen digital ausgestellt werden und nur noch auf Verlangen des Kunden in Papierform geliefert werden müssen.
Wie bleiben Sie weiter informiert?
- Auf den 15. CE-PraxisTAGEN ist hinsichtlich der Überarbeitung der Maschinenrichtlinie ein eigener Programmpunkt vorgesehen.
- Über unseren kostenlosen CE-InfoService informieren wir Sie, sobald uns neue Erkenntnisse zur Überarbeitung der Maschinenrichtlinie vorliegen. Melde Sie sich direkt an und verpassen Sie keine wichtigen Updates!
Verfasst am: 23.04.2021
Autor
Johannes Windeler-Frick, MSc ETH
Geschäftsführer der IBF Solutions. Fachreferent CE-Kennzeichnung und Safexpert. Vorträge, Podcasts und Publikationen zu unterschiedlichen CE-Themen, insbesondere CE-Organisation und effizientes CE-Management. Leitung der Weiterentwicklung des Softwaresystems Safexpert. Studium der Elektrotechnik an der ETH Zürich (MSc) im Schwerpunkt Energietechnik sowie Vertiefung im Bereich von Werkzeugmaschinen.
E-Mail: johannes.windeler-frick@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com
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