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Moderne Maschinen arbeiten häufig automatisiert, was den Menschen zunehmend aus der direkten Bedienung herausnimmt, jedoch nicht aus den Wartungs-, Einstell- und Störungsbeseitigungsprozessen. Gerade bei diesen Arbeiten besteht nach wie vor die Gefahr, dass Personen unbemerkt in Gefährdungsbereiche eindringen oder dort verbleiben.
Der Normentwurf prEN ISO 12895:2024 greift diesen sicherheitstechnisch kritischen Aspekt gezielt auf: Er beschreibt Kriterien, wie Hersteller und Betreiber bewerten können, ob ein Ganzkörperzugang in eine Maschine möglich ist, und legt fest, welche Maßnahmen zu treffen sind, um hieraus resultierende Risiken zu beherrschen. Damit schließt die Norm eine bestehende Lücke in der bisherigen Normenlandschaft, die zwar den Zugangsschutz durch Schutzeinrichtungen regelt, aber den Sonderfall des Ganzkörperzugangs bisher nur unzureichend abdeckte.
Die internationale Norm befindet sich nach Angaben des Herausgebers ISO noch in der "Umfragephase". Der aktuelle Status „Close of Voting“ bedeutet, dass die internationale Kommentierung des Normentwurfs am 24.4.2025 beendet wurde. Dieser Normentwurf wurde Mitte April von Austrian Standards bzw. DIN als nationales Dokument veröffentlicht, die folgenden Inhalte des Beitrags beziehen sich daher auf dieses Ausgabedatum.
Sobald die Norm vonseiten der ISO-Gremien veröffentlicht wurde, ist zeitnah eine Umsetzung als europäische Norm zu erwarten. Diese Ausgabe wird dann in weiterer Folge an die nationalen Institute zur Publikation übergeben.
Hinweis zur Konformitätsvermutung: Gemäß der Angaben von CEN/CENELEC ist für die prEN ISO 12895 eine Veröffentlichung im EU-Amtsblatt für die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG als auch für die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 vorgesehen!
2. Anwendungsbereich und Zielsetzung
Der Entwurf gilt für Maschinen, an denen Schutzeinrichtungen den Zutritt zu gefährlichen Bereichen verhindern sollen. Die Norm spezifiziert, ab welcher Öffnungsgröße und unter welchen geometrischen Bedingungen davon auszugehen ist, dass ein Ganzkörperzugang möglich ist. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Feststellung, ob innerhalb des geschützten Bereichs Zonen existieren, in denen Personen von Sensoren oder Lichtschranken nicht erfasst werden können.
Die Norm richtet sich an Konstrukteure, Sicherheitsfachkräfte und Betreiber, die ihre Maschinen sicher gestalten und den Stand der Technik nachweisen müssen. Durch klare Maßvorgaben, definierte Prüfschritte und abgestufte Schutzmaßnahmen wird eine einheitliche Bewertungsgrundlage geschaffen.
3. Technische Inhalte im Überblick
3.1 Bestimmung des Ganzkörperzugangs
Die Norm legt fest, dass eine Öffnung ab bestimmten Abmessungen als geeignet für den Ganzkörperzugang gilt. So ermöglichen beispielsweise runde oder quadratische Öffnungen mit einem Durchmesser größer als 240 mm oder rechteckige Öffnungen bestimmter Höhe und Breite das vollständige Eindringen einer Person. Dabei wird das vorhersehbare Verhalten von Bedien- und Wartungspersonal berücksichtigt.
Außerdem werden Kriterien benannt, um tote Winkel im Inneren der Maschine zu identifizieren. Bleibt ein Bereich unbeobachtet, kann eine Person dort unentdeckt verweilen — ein nicht zu unterschätzendes Risiko beim Wiederanlauf einer Maschine.
3.2 Risikobeurteilung und Abhilfemaßnahmen
Zeigt die Beurteilung, dass ein Ganzkörperzugang möglich ist, fordert die Norm wirksame Schutzmaßnahmen. Diese reichen von der rein konstruktiven Vermeidung durch kleinere Öffnungen oder physische Hindernisse bis hin zu technischen Überwachungssystemen.
Besonderes Gewicht wird auf Anwesenheitserkennung gelegt: Berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen, zusätzliche Sensorik oder Videoüberwachung können sicherstellen, dass Personen im Gefährdungsbereich erkannt werden.
Weiterhin ist vorgesehen, dass der Wiederanlauf der Maschine technisch so abgesichert wird, dass ein manuelles Rücksetzen erforderlich ist. Solange sich jemand im Schutzbereich befindet, muss ein unbeabsichtigtes Wiederanlaufen ausgeschlossen sein.
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Der Normentwurf bietet Betrieben klare Handlungsempfehlungen und vermeidet Unsicherheiten bei der Frage, ob und wie Ganzkörperzugänge berücksichtigt werden müssen. Gerade bei komplexen Anlagen mit vielen Zugangstüren, Wartungsöffnungen und schwer einsehbaren Bereichen ist dies ein erheblicher Vorteil.
Für Konstrukteure bedeutet die Norm Planungs- und Rechtssicherheit: Sie können sich auf klar definierte Parameter berufen und vermeiden kostenintensive Nachbesserungen im späteren Betrieb. Betreiber profitieren von einer verbesserten Arbeitssicherheit, da die Wahrscheinlichkeit von Unfällen durch eingeschlossene Personen oder unerwartetes Anlaufen minimiert wird.
Nicht zuletzt erleichtert die konsequente Umsetzung dieser Anforderungen im Falle einer Behördenprüfung oder eines Unfalls die Nachweisführung.
5. Bedeutung im Kontext der Maschinensicherheit
Die prEN ISO 12895:2024 ergänzt bestehende sicherheitstechnische Normen wie die EN ISO 12100 (Grundsätze für die Konstruktion sicherer Maschinen) und die EN ISO 13855 (Schutzeinrichtungen) sowie der EN ISO 13857 (Sicherheitsabstände). Während diese grundlegende Prinzipien und Abstände definieren, schafft die neue Norm eine Brücke zu spezifischen Risiken, die sich aus den räumlichen Gegebenheiten komplexer Anlagen ergeben.
Damit stellt der Entwurf einen weiteren Baustein dar, um Unfälle zu verhindern, Wartungspersonal zu schützen und den hohen Anforderungen an die Maschinensicherheit gerecht zu werden. Insbesondere für Branchen mit großen Maschinen wie Förderanlagen, Roboterzellen oder Produktionslinien mit Schutzgittern bietet die Norm eine praxisnahe Hilfe.
Mit dem Normentwurf prEN ISO 12895:2024 erhalten Maschinenhersteller und -betreiber ein präzises Werkzeug, um das Restrisiko beim Zugang zu Gefährdungsbereichen zu minimieren. Klare Prüfmethoden, eindeutige Maßangaben und anerkannte Schutzmaßnahmen tragen dazu bei, die Sicherheit von Mensch und Maschine zu gewährleisten — und das im Einklang mit bewährten Grundsätzen der Technik und den gesetzlichen Anforderungen.
Die frühzeitige Berücksichtigung dieser Vorgaben lohnt sich: Sie spart Kosten, schützt Menschenleben und stärkt die Rechtssicherheit — so, wie es guter Ingenieurspraxis und dem bewährten Grundsatz "Sicherheit geht vor" seit jeher entspricht.
Informationen für Safexpert-Anwender
Sobald die finale Veröffentlichung der EN ISO 12895 als ÖNORM erfolgt ist, wird das Dokument als wichtige sicherheitstechnische Typ-B-Norm in das Normenpaket "Maschinensicherheit Plus" aufgenommen.
Informationen zu den darin enthaltenen Dokumenten finden Sie auf in der Rubrik "Zusatzprodukte – Normenpakete".
Verfasst am: 07.07.2025
Verfügt über eine umfassende Berufserfahrung im Sondermaschinenbau, insbesondere in den Bereichen CE-Kennzeichnung, technische Dokumentation und Risikobeurteilung. Durch seine langjährige Tätigkeit als CE-Koordinator, technischer Redakteur sowie Teamleiter in der technischen Dokumentation hat er sich ein tiefgehendes Fachwissen in der Anwendung der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) angeeignet. Darüber hinaus besitzt er fundierte Kenntnisse der Produktsicherheitsanforderungen sowie der rechtskonformen Erstellung von Konformitätsunterlagen. Seine Expertise liegt in der systematischen Analyse und Umsetzung gesetzlicher Anforderungen sowie in der praxisgerechten Vermittlung dieses Wissens an Fachkräfte.
E-Mail: michael.mersmann@ibf-solutions.com
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