Fachbeitrag

EN ISO 12100 wird überarbeitet

Norm zu Risikobeurteilung und Risikominderung

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Die neue EN ISO 12100 - was ändert sich?


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Die wichtigste Norm zur Risikobeurteilung, (EN) ISO 12100, befindet sich in Überarbeitung! Nachfolgend erfahren Sie die relevanten Facts, um am Ball zu bleiben.

Hinweis: Dieser Fachbeitrag wird laufend aktualisiert. Verpassen Sie keine wichtigen Updates und abonnieren Sie am besten gleich unseren kostenlosen Newsletter:

Was ist der aktuelle Stand?

Das Nachfolgeprojekt ISO/CD 12100 befindet sich derzeit in der sogenannten „Umfragephase“. Der aktuelle Status „DIS ballot initiated” bedeutet, dass der im Dezember 2024 veröffentlichte Normentwurf einer erneuten Überarbeitung unterzogen und veröffentlicht wurde. Das neue Entwurfsdokument wurde am 7.10.2025 registriert und am 28.10. 2025 zur 12-wöchigen Umfrage herausgegeben. Anwender können den Normentwurf ab Mitte November 2025 im Webshop von Austrian Standards beziehen, für dieses Dokument können dann auch bis zum 2. Dezember 2026 Stellungnahmen abgegeben werden.

 Aus Kreisen des Normengremiums ist zu hören, dass der Grund für die Erstellung eines 2. Normentwurfs eine negativ ausgefallene parallele Umfrage auf CEN-Ebene ist. Aufgrund der zahlreichen technischen Änderungen, die nach der Klärung der Kommentare zum ersten Entwurf vorgenommen wurden, ist daher eine zweite Umfrage bei CEN notwendig, bevor die formelle Abstimmung stattfinden kann.

Obwohl ursprünglich nur eine geringfügige Überarbeitung geplant war, machen das negative CEN-Ergebnis und der Umfang der Anpassungen eine erneute Entwurfsphase notwendig, bevor die formelle Abstimmung erfolgen kann.
 

Wann kommt die neue Norm (EN) ISO 12100?

Im Normungsprozess der ISO werden mehrere Stufen (sog. ISO Stages) unterschieden. Derzeit befindet sich die neue Norm in Phase 4 (Umfrage-Phase). Es wird also noch einige Zeit dauern, bis das Dokument die Phase 6 (Veröffentlichungsphase) erreicht.

Zum Vergleich: Bei der letzten Überarbeitung der Norm im Jahr 2008 dauerte es von der Komitee- bis zur Veröffentlichungsphase knapp 2 Jahre. Sollte die aktuelle Revision einem ähnlichen Zyklus folgen, können die Anwender in etwa Mitte/Ende 2026 mit einer neuen Ausgabe der Norm rechnen.

Da der Normentwurf vom Dezember 2024 jedoch nicht genehmigt wurde, wurde ab September 2025 im Gremium ein neues Dokument erarbeitet. Dieser Entwurf wurde am 15.11.2025 von Austrian Standards als ÖNORM erneut zur öffentlichen Kommentierung veröffentlicht und durchläuft ein 2. Genehmigungsverfahren, im Falle eines positiven Ausgangs wird dieser Entwurf angenommen und veröffentlicht.

Dieser Veröffentlichungsprozess gibt nur die internationale Fassung wieder. CEN, die europäische Normungsorganisation, hat ebenfalls ein neues Normungsprojekt mit der Bezeichnung prEN ISO 12100 rev gestartet. Es ist davon auszugehen, dass die Gremien von ISO und CEN wie bei der Normenausgabe 2010 eng zusammenarbeiten werden. Die Veröffentlichung auf europäischer und dann auf nationaler Ebene erfolgt in der Regel einige Monate nach Erscheinen der internationalen Ausgabe. 

Am 20.1.2025 erschien der Normungsauftrag der EU-Kommission an CEN/CENELEC, welcher die Erarbeitung harmonisierter Normen für die neuen bzw. geänderten Anforderungen der Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 einfordert. In Anhang I des Dokuments werden an erster Steller "Normen und Vorgaben zu horizontalen Fragen der Risikominderung und Sicherheit von Maschinen und dazugehörigen Produkten" gefordert, womit vermutlich die EN ISO 12100 als einzige Typ-A-Norm gemeint ist. Der Stichtag zur spätesten Annahme dieser Norm durch CEN/CENELEC ist (wie für sämtliche andere Normen des Mandats) auf den 20.1.2026 festgelegt, genau ein Jahr vor Gültigkeitsbeginn der neuen MVO. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie im Fachbeitrag "Neue Maschinenverordnung: Status harmonisierter Normen".
 

Seminarhinweis

Konstruieren sicherer Maschinen - Risikobeurteilung in der Praxis


In nur einem Tag erfahren Konstrukteure und Planer im Seminar Konstruieren sicherer Maschinen - Risikobeurteilung in der Praxis, wie Risikobeurteilungen möglichst effizient in die Entwicklungsprozesse von Maschinen oder Anlagen integriert werden sollen.

Gibt es eine Übergangsfrist?

Bei der Frage nach einer möglichen Übergangsfrist muss zwischen den verschiedenen Herausgebern unterschieden werden:

  • International: ISO zieht das Vorgängerdokument voraussichtlich unmittelbar mit der Veröffentlichung des Nachfolgers zurück, d.h. es wird keine Übergangsfrist geben.
  • Europa: CEN/CENELEC kommunizieren das Datum der Zurückziehung nur indirekt: Im Datum der neuen Norm kommuniziert das DOW, das sogenannte "Date-of-Withdrawal", den spätesten Zeitpunkt, bis zu dem nationale Umsetzungen der Norm, die der aktuellen Ausgabe widersprechen, zurückgezogen werden müssen. Dieses Datum liegt durchschnittlich 2-3 Jahre nach einer Neuveröffentlichung.
  • Europäische Union: Ein Sonderfall in Europa ist auch der indirekte Herausgeberstatus der Europäischen Kommission, die die neue Norm als harmonisierte Norm im EU-Amtsblatt nach Maschinenrichtlinie (zukünftig Maschinenverordnung) veröffentlicht. Mit der Listung im EU-Amtsblatt wird der Vorgängernorm EN ISO 12100:2010 voraussichtlich noch eine Übergangsfrist von 2,5 Jahren für die Konformitätsvermutung eingeräumt, in der beide Ausgaben angewendet werden dürfen.
  • National: Nationale Normungsorganisationen wie DIN oder Austrian Standards ziehen nationale Vorgängernormen in der Regel sofort zurück, es gibt aber auch hier Ausnahmen.
     

Ab wann muss die neue Norm ISO 12100 angewendet werden?

Diese Frage ist für die Hersteller nicht einfach zu beantworten, da sie sich gerade in Europa in einem Spannungsfeld bewegen.

Einerseits gibt die Listung der Vorgängernorm EN ISO 12100:2010 im EU-Amtsblatt nach der Maschinenrichtlinie eine gewisse Rechtssicherheit, andererseits fordern gerade die EU-Richtlinien die Einhaltung des Standes der Technik. Hier könnte argumentiert werden, dass die neue Normenausgabe der (EN) ISO 12100 ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung aufgrund ihrer Aktualität diesen Stand besser abbildet als die Vorgängernorm.

Weitere Informationen – auch aus juristischer Sicht – zu diesem Thema finden Sie in unserem Fachbeitrag Normenaktualität vs. Konformitätsvermutung.
 

Was ändert sich am Inhalt?

Im Arbeitsprogramm der europäischen Normungsorganisationen CEN/CENELEC für 2024 wurde die Überarbeitung der Norm als eine der Hauptaufgaben des Technischen Komitees 114 (Sicherheit von Maschinen) angegeben. Hauptziel der Überarbeitung ist demnach die Überprüfung einiger Definitionen, die Anpassung des Inhalts an die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 und die Einführung von Links zu den neuesten horizontalen Dokumenten des Komitees.1

Dieser Umfang der Überarbeitung spiegelte sich auch im ersten Normentwurf zur öffentlichen Stellungnahme wider, welcher am 1.1.2025 als prEN ISO 12100:2024 veröffentlicht wurde. Im Genehmigungsverfahren führten diese Inhalte jedoch zu einem negativen Abstimmungsergebnis auf CEN/CENELEC-Ebene, weshalb im zweiten Normentwurf vom 15. November 2025 einige weitere Abschnitte modifiziert bzw. neu hinzugefügt wurden.

Nachfolgend haben wir einige der aus unserer Sicht wichtigsten Neuerungen und Änderungen aufgeführt, die innerhalb dieses Drafts erschienen sind. 

Hinweise: 

  • Der Textabschnitt der Neuerungen/Änderungen ist nur eine Aufstellung der aus unserer Sicht wichtigsten Modifikationen des 2. Normentwurfs vom November 2025
  • Der folgende Abschnitt wurde auf Basis des englischen Entwurfs erstellt, die hier verwendeten Begriffe und Terminologien können daher abweichen
  • Bis zur Veröffentlichung der finalen Normenausgabe 2026 können sich aufgrund der Möglichkeit zur öffentlichen Stellungnahme noch Änderungen ergeben
     

Anhänge ZC bzw. ZD zur Erläuterung der Beziehungen zur Maschinenrichtlinie bzw. Maschinenverordung

Der bisherige Anhang ZA (Zusammenhang zwischen dieser Europäischen Norm und den grundlegenden Anforderungen der EU-Richtlinie 2006/42/EG) wurde im Zuge der Veröffentlichung der neuen Maschinenverordnung in die Anhänge ZA (MRL) sowie ZB (MVO) überführt.

Darüber hinaus wurden mit Anhang ZC (MRL) und Anhang ZD (MVO) zusätzliche Informationen zur Erläuterung der Beziehungen der Norm und der Richtlinie bzw. Verordnung aufgenommen. Hier werden Grundsätze zur sicheren Konstruktion von Maschinen dargestellt, einschließlich der Auswahl geeigneter Sicherheitsnormen und deren Anwendung zur Risikominderung. Der Fokus liegt auf der Konformitätsvermutung durch harmonisierte Normen, insbesondere Typ-C-Normen, die spezifische Anforderungen abdecken. Zudem wird der Schutz vor Risiken durch bewegende Kraftübertragungselemente erläutert, etwa durch feststehende oder bewegliche Schutzeinrichtungen.

Anwendungsbereich (Abschnitt 1)

Der Anwendungsbereich wurde um einen zusätzlichen Absatz zu den Auswirkungen von künstlicher Intelligenz/Machine Learning sowie der von Cyberbedrohungen und Datenkorrumpierung auf die Maschinensicherheit ergänzt. Letztere Inhalte wurden im Vergleich zum 1. Normentwurf vom 1.1.2025 nochmal minimal abgeändert, dort war noch von Angriffen auf die Cybersicherheit.

So soll die zukünftige Norm Maßnahmen für die Auswirkungen derartiger Gefährdungssituationen auf die Maschinensicherheit festlegen.

Außerdem legt die neue Norm fest, dass auch Hygieneaspekte für die Maschinensicherheit relevant sind. 

Die bisherigen Anmerkungen im Anwendungsbereich wurden um zwei weitere Inhaltspunkte ergänzt: um einen Hinweis, dass der Risikobeurteilungsprozess neben Personenschäden auch für Schäden zu Haustieren, Eigentum oder Umwelt genutzt werden kann, desweiteren wird die Rolle des Konstrukteurs präzisiert, welcher Hersteller, Integrator, Lieferant oder Benutzer sein kann.

Begriffe (Abschnitt 3)

Folgende Begriffe wurden neu zu Abschnitt 3 hinzugefügt:

  • 3.18: ergänzende Maßnahme zur Risikominderung: Risikominderungsmaßnahme, die in Verbindung mit inhärent sicherer Konstruktion, technischen Schutzmaßnahmen oder Benutzerinformation zur Verbesserung der Risikominderung eingesetzt wird
  • 3.19: vertretbares Risiko: Risiko, das in einem bestimmten Zusammenhang nach den gültigen Wertvorstellungen der Gesellschaft akzeptiert wird
  • 3.40: Cybersicherheit: Maßnahmen zum Schutz einer Maschinensteuerung gegen unbefugten Zugang oder Angriffe, der/die zu einer Gefährdungssituation führen kann/können
  • 3.41: Fernzugriff: Prozess der Kommunikation mit einem oder mehreren Geräten an der Maschine aus einem anderen Netzwerk oder von einem Endgerät aus, das weder physisch noch logisch dauerhaft mit dem/den Gerät(en) verbunden ist.
  • 3.42: Fernsteuerung: Prozess, bei dem Parameter geändert und Maschinenfunktionen von einem Ort aus gestartet, gestoppt oder geändert werden können, der keinen Einblick in die Gefährdungsbereiche bietet.
  • 3.43: Fernprogrammierung: Prozess, bei dem aktive Programme von einem Ort aus erstellt, geändert oder einer Prüfung unterzogen werden können, ohne dass die Gefährdungsbereiche einsehbar sind.

Gestrichen wurden dagegen die Begriffe „relevante Gefährdung“ (ehemals 3.7), „Gefahr bringender Ausfall“ (3.32), „vergleichende Emissionsdaten“ (3.42) sowie „Handlungen im Notfall“ (3.39). Der Begriff "Maßnahme zur Risikominderung" ersetzt den bisherigen Begriff "Schutzmaßnahme", zudem wurde die Definition der "Risikobewertung" überarbeitet.

In der Normenausgabe von 2010 wurde noch zwischen relevanter Gefährdung (Gefährdung, die als an der Maschine vorhanden oder mit ihrem Einsatz verbunden festgestellt wurde) sowie signifikanter Gefährdung (Gefährdung, die als relevant festgestellt wurde und die vom Konstrukteur spezielle Maßnahmen erfordert [...]) unterschieden, in Zukunft wird es gemäß dem Entwurf ausschließlich den Ausdruck „signifikante Gefährdung“ geben. 

Strategie zur Risikobeurteilung und Risikominderung (Abschnitt 4)

In Abschnitt 4 wurde ein neues Bild 1 hinzugefügt, welches den iterativen Prozess zur Risikobeurteilung/Risikominderung als Gesamtprozess aufzeigt. Das bisherige Bild 1 der EN ISO 12100:2010 (Schematische Darstellung des dreistufigen iterativen Prozesses zur Risikominderung) ist in unveränderter Weise als Bild 2 aufgeführt.

Risikobeurteilung (Abschnitt 5)

Abschnitt 5.4 (Identifizierung der Gefährdungen) wurde neu nummeriert, im neuen Abschnitt 5.4.2 (bisher Unterabschnitt b)) wurde bei den möglichen Betriebszuständen der Maschine ein zusätzlicher Verweis auf unbeabsichtigtes sich selbst entwickelndes Verhalten von KI hinzugefügt. Details zu diesem Zusammenspiel können Anwender in der Technischen Regel CEN ISO/TR 22100-5 nachlesen. Dieses Dokument beschreibt, wie Gefährdungen, die mit Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) für maschinelles Lernen in Maschinen oder Maschinensystemen verbunden sind und innerhalb bestimmter Grenzen wirken sollen, im Risikobeurteilungsprozess berücksichtigt werden können.

In Abschnitt 5.5 (Risikoeinschätzung) wurden im Unterabschnitt 5.5.1 allgemeine Informationen zur Verwendung von Messmethoden für Emissionen ergänzt. Dadurch sollen Risiken besser bewertet, Schutzmaßnahmen überprüft und Käufer sowie Nutzer transparent informiert werden können.

Risikominderung (Abschnitt 6)

In diesem Abschnitt wurde das bisherige Bild 4 durch ein neues Bild 5 ersetzt und umfasst nun eine Anleitung für die Auswahl von Schutzeinrichtungen gegen Gefährdungen, ohne Fokus auf bewegliche Kraftübertragungselemente oder Teile sondern lediglich auf die Gefährdung als Ganzes. 

Abschnitt 6.2.3 behandelt die Berücksichtigung von allgemeinem technischen Wissens zur Konstruktion, dort wurde der Hinweis ergänzt, dass Emissionswerte bestehender Maschinen/Prototypen für die Abschätzung der Emissionen ähnlicher Maschinen genutzt werden können. 

Detailliertere Angaben sind in 6.2.9 Elektrische Gefährdungen zu finden: demnach muss die elektrische Ausrüstung einer Maschine so konstruiert sein,  dass Nutzer vor der Gefährdungssituation elektrischer Schlag geschützt sind und die Energiequelle zuverlässig abgeschaltet werden kann.

Der neue Abschnitt 6.2.14 betrifft im Speziellen Hygieneaspekte von Maschinen und Ausrüstungen, die in Anwendungen zum Einsatz kommen, an die Anforderungen an die Hygiene und Reinigbarkeit bestehen (z. B. Nahrungsmittel und Arzneimittel).

Ebenso neu hinzugekommen sind die Abschnitte 6.2.15 (Lärm) und 6.2.16 (Vibration): auch hier müssen Maschine und Geräte so konstruiert sein, dass die entsprechenden Emissionen an der Quelle reduziert werden.

Der Unterabschnitt 6.3.1 wurde um einen Absatz zum Thema "Ganzkörperzugang" ergänzt, wenn eine Person vollständig in den geschützten Bereich einer Maschine gelangen kann. Hier wird auf ein aktuelles verwiesen, Details dazu können Sie in unserem Fachbeitrag prEN ISO 12895 über Ganzkörperzugang in Maschinen nachlesen.

Der neue Begriff "Fernsteuerung" wird im gleichnamigen neuen Abschnitt 6.3.5.11 konkretisiert und verweist auf die Anforderungen der EN ISO 13849-1, im Falle eines möglichen Ganzkörperzugangs auf die neue Norm prEN ISO 12895. Gefährdungssituationen durch ferngesteuerte Software-Updates (neuer Abschnitt 6.3.5.12) müssen ebenso verhindert werden.

Der neu hinzugefügte Unterabschnitt 6.3.5.15 trägt den Titel "Cybersicherheit und Schutz vor Datenverfälschung". Gerade Aspekte der Cybersicherheit waren im Zuge der Veröffentlichung des Cyber Resilience Acts (EU) 2024/2847 erwartet worden, für ausführliche Details (oder in weiterer Folge spezielle Anforderungen) wird jedoch auf die Norm ISO/IEC 24392 (Cybersecurity — Security reference model for industrial internet platform (SRM- IIP)) verwiesen. Im ersten Normentwurf von Anfang 2025 wurde an dieser Stelle noch die künftige Typ-B-Norm prEN 50742 (Sicherheit von Maschinen – Schutz gegen Korrumpierung) erwähnt.

In der prEN ISO 12100 werden lediglich einige grobe Maßnahmen zur Risikominderung für Cybersicherheit und Schutz vor Datenverfälschung definiert,  z.B.:

  • Verhindern eines unbefugten Zugriffs auf Hardware, Software, Anwendersoftware und damit verbundene Konfigurationsdaten
  • Überwachung von Fernzugriffen
  • Verhindern von versehentlichen oder unbeabsichtigten Änderungen
  • Air Gapping
  • Versperren des Zugangs zu Anschlüssen/Schnittstellen

Außerdem nimmt der Abschnitt 6.3.7 zusätzliche risikomindernde Maßnahmen für die Standsicherheit auf, z.B. Bewegungsbegrenzer oder Verriegelungsvorrichtungen.

Zuletzt wurde Abschnitt 6.4 (Benutzerinformation) an die neue Möglichkeit angepasst, die Unterlagen künftig auch in elektronischer Form bereitzustellen. Ergänzt wird die Überarbeitung durch den Hinweis, dass die Begleitunterlagen (Betriebsanleitung) künftig die Anforderungen der Norm EN ISO 20607 erfüllen müssen. Diese Norm ist im Gegensatz zur EN IEC 82079-1 (Erstellung von Nutzungsinformationen (Gebrauchsanleitungen)) im EU-Amtsblatt nach Maschinenrichtlinie – künftig nach Maschinenverordnung – gelistet. Die EN ISO 20607 befindet sich derzeit ebenfalls in Überarbeitung und könnte zusammen mit der neuen EN ISO 12100 veröffentlicht werden. Außerdem neu hinzugefügt wurde bei den "Angaben zur Verwendung der Maschine" ein zusätzlicher Punkt zu "Bedeutung und Zweck von Signalen und Warneinrichtungen".

Anhang B – Beispiele für Gefährdungen, Gefährdungssituationen und Gefährdungsereignisse

Nahezu keine Veränderungen gibt es in Anhang B, in welchem die beispielhaften Gefährdungen aufgelistet sind. Neben kleineren redaktionellen Anpassungen wurden in Tabelle B.1 lediglich die Ursprünge einiger mechanischer Gefährdungen minimal angepasst, die Bescheibung der elektrischen Gefährdung "elektromagnetische Vorgänge" um den Satz "einschließlich solcher in Zusammenhang mit Dauermagneten" ergänzt, anstelle von "Mutation" wird ab sofort der Begriff "Veränderung des Erbguts" verwendet, "Feuchtigkeit" wird zu "Feuchte". 

In Tabelle B.2 ist nun "elektrischer Schlag" anstelle von "Schlag" eine mögliche Folge von spannungsführenden Teilen. In Tabelle B.3 wird an einigen Stellen der Begriff "Überprüfen" künftig durch "Validierung" ersetzt. Abschließend wurde Tabelle B.4 (Gefährdungsereignisse) im Bereich Steuerungen modifiziert: aus "Maschinentätigkeit als Ergebnis der Wirkungslosigkeit [...] von Schutzeinrichtungen" wird der neue Ausdruck "Maschinenfunktionen als Ergebnis der Unwirksameit [...] von nichttrennenden Schutzeinrichtungen".

Anhang C - Anwendung des Systems der Typ-A-, Typ-B- und Typ-C-Normen bei der Konstruktion einer Maschine zum Erreichen eines vertretbaren Risikoniveaus durch hinreichende Risikominderung

Dieser neue Anhang C wurde aus den Inhalten der Technischen Regel ISO/TR 22100-1 übernommen. Diese bietet einen informativen Leitfaden zur Anwendung von Typ-A-, Typ-B- und Typ-C-Normen für die Maschinensicherheit, wodurch ein akzeptables Risikoniveau durch angemessene Risikominderung erreicht werden soll. Der Fokus liegt auf der Rolle von Typ-C-Normen, die spezifische Sicherheitsmaßnahmen und -anforderungen definieren, ergänzt durch Überprüfungsmethoden. Der Anhang erklärt, wie diese Normen interagieren, insbesondere wenn Typ-C-Normen von Typ-B-Normen abweichen und bietet praktische Schritte zur Umsetzung dieser Normen bei der Konstruktion.

Anhang D - Zusammenhang zwischen diesem Dokument und ISO 13849-1

Der neue Anhang D der EN ISO 12100 gibt die Inhalte der technischen Regel ISO/TR 22100-2 wieder und erklärt die Verbindung zur ISO 13849-1 und deren Integration in die Risikobeurteilung. Er beschreibt, wie sicherheitsbezogene Steuerungsteile in den Prozess eingebunden werden, um ein akzeptables Risikoniveau zu erreichen, und illustriert dies mit Grafiken und Beispielen. Diese Regel wurde bisher nicht von CEN/CENELEC als europäische Norm übernommen und findet sich auf diese Weise in der europäischen Normung wieder.
 

Wann wird Safexpert - die Software zur Risikobeurteilung - an die neuen Anforderungen angepasst?

Mit den ersten inhaltlichen Details im Rahmen des (überarbeiteten) Normentwurfs werden wir zeitnah mit den Vorarbeiten beginnen, um unseren Kunden möglichst bald nach Erscheinen der endgültigen Normenausgabe die Möglichkeit zu geben, Risikobeurteilungen nach der neuen Norm durchzuführen.

Selbstverständlich können wir die Funktionen erst endgültig definieren, wenn die offiziellen Dokumente vorliegen. Die Umsetzung der neuen Anforderungen in Safexpert hat höchste Priorität.
 

Produkthinweis

Safexpert – Die CE-Software unterstützt die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230


Seit der Version 9.1 unterstützt Sie Safexpert gezielt beim Wechsel auf die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230. Für Maschinen mit langer Laufzeit, die ab 20.1.2027 in Verkehr gebracht werden, können Sie bereits ab sofort den CE-Leitfaden nach der neuen Maschinenverordnung nutzen!

Fazit

Auch der überarbeitete, 2. Entwurf der prEN ISO 12100 vom 15.11.2025 stellt im Wesentlichen eine redaktionelle Überarbeitung ohne größere inhaltliche Überraschungen dar. 

Gleichzeitig wurde der Entwurf an die Anforderungen der neuen Maschinenverordnung angepasst, insbesondere im Hinblick auf Cybersecurity und künstliche Intelligenz. Wer sich hier konkrete Hilfestellungen erhofft hatte, wie z.B. "Gefährdungsereignis durch Cyberangriff" als neuen Punkt in der Gefährdungsliste (Tabelle B.4), sucht vergeblich.

Möglicherweise wird der Normentwurf gerade aus diesen Gründen erneut im Normengremium diskutiert und voraussichtlich Ende 2025 in neuer Ausgabe zur öffentlichen Kommentierung erscheinen. Wir informieren Sie hier zeitnah, sobald uns neue Erkenntnisse vorliegen.


Verfasst am: 14.11.2025 (Letzte Aktualisierung)

Autoren

Daniel Zacek-Gebele, MSc
Produktmanager bei IBF für Zusatzprodukte sowie Datenmanager für die Aktualisierung der Normendaten am Safexpert Live Server. Studium der Wirtschaftswissenschaften in Passau (BSc) und Stuttgart (MSc) im Schwerpunkt International Business and Economics.

E-Mail: daniel.zacek-gebele@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com

 

Christian Aumann, Dipl.-Ing. (FH)
Produktmanager bei IBF Solutions und Fachreferent für CE-Kennzeichnung und Safexpert. 15 Jahre Erfahrung als ausgebildeter Sicherheitsingenieur in der mechanischen Konstruktion im Sondermaschinenbau und insbesondere in der Umsetzung der Maschinen- und ATEX-Richtlinie sowie der Erstellung von Risikobeurteilungen. Studium der Produktions- und Automatisierungstechnik an der OTH Regensburg.

E-Mail: christian.aumann@ibf-solutions.com | www.ibf-solutions.com


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